Ich hätte dich lieben können, doch dann...
Warum es manchmal so weh tut, wenn das Kennenlernen endet, bevor es richtig anfängt.
Vielleicht ist ein Aspekt einer Trennung am Ende das, was am allermeisten weh tut, jenseits der Trennung selbst: Es ist nicht die Liebe, die stirbt, die Beziehung, die stirbt. Es ist die Hoffnung.
Nicht die Trennung ist das Allerschlimmste, sondern, dass die Hoffnung stirbt.
Die Hoffnung darauf, dass nach Monaten des Streitens doch irgendwie wieder alles gut kommt. Dass wir es schaffen, diese elenden Muster, die sind wie Monster, und neben denen wir stehen und immer wieder verzweifelt zuschauen, wie sie das, was wir lieben, kaputtschlagen, und wir es doch wieder! wieder! wieder nicht neu und besser und anders konnten.
Vielleicht tun Trennungen nicht bloss weh, weil dann niemand mehr ins gleiche Bett geschlichen kommt und mitwärmt, vielleicht nicht, weil da niemand mehr ist, der einen doch ganz tief kennt, der weiss, wie man seinen Kaffee gerne mag und weiss, welche Socken man anzieht, wenn alle anderen in der Wäsche sind. Vielleicht ist es dieser Moment der Starre, wenn die Hoffnung aufhört, wenn man sie auf den Boden fallen hört und sie zerbricht, und da nichts mehr ist, was sie wieder zusammenfügt.
Dieses: Ich will nicht mehr, weil ich nicht mehr daran glaube, dass….
Und dann hab ich nachgedacht über Anfänge, und wie viel Hoffnung in Anfängen steckt. Und darüber, dass wir immer von langjährigen Beziehungen sprechen, die in die Brüche gehen, und wie schlimm das ist, und wir alle kennen das, und wir wissen, wie weh es tut. Und doch versuchen wir alle immer wieder Neuanfänge, wir daten, wir schreiben, wir haben hier mal einen kurzen Flirt und dort mal, wir lernen Menschen kennen und gehen das erste Mal mit ihnen aus. Und obwohl wir gerne so tun, als wäre das alles no big deal, bloss ein bisschen Kennenlernen, ein bisschen Abwechslung, ein bisschen Dopamin, nichts weiter, und wir versuchen, weiter unsere Hobbies zu pflegen und manchmal verzögert zurückzuschreiben, damit dem anderen nicht so schnell klar wird, wie wichtig er für uns sein könnte, ist da doch: so viel Hoffnung.
Weil hinter diesem neuen Anfang das kommen könnte, was wir uns ersehnen, diese Vertrautheit, dieses Reinschleichen ins Bett und das Aufwärmen, jemand, der bald weiss, wie wir unseren Kaffee mögen und welche Socken wir anziehen, wenn alle anderen in der Wäsche sind.
Manchmal kommt diese Hoffnung langsam, manchmal leise, manchmal steigern wir uns sofort rein und manchmal tun wir so, als gäbe es keine, bloss, damit wir uns nicht zu verletzlich zeigen, zu offen, zu nah, zu menschlich, zu hoffnungsvoll. Weil das auch immer eine Art Abhängigkeit mit sich bringt, die grosse Frage: Aber, wenn ich dich will, wenn ich dich mag, wie ist das dann…. bei dir?
Hoffnung ist fragil, weil sie uns offenbaren lässt, dass wir an etwas glauben. Dass wir bereit sind, uns einzulassen und den anderen in uns reinzulassen. Sie ist das Mutigste, was wir haben, und gleichzeitig das grösste Risiko.
Es sind die grossen Geschichten, die langen Beziehungen, die grossen Lieben, die uns manchmal zerrüttet zurücklassen. Aber manchmal, ziemlich oft sogar, sind es auch diese ersten Male, die sehr weh tun. Diese ersten Male, die nicht weiterführten. Die paar Wochen, die sich so echt und nah anfühlten, die sich dann von einem Tag auf den anderen in Luft auflösen, und wir noch lange im Dunkeln tappen, über die Gründe, über die Fragen, darüber, was eigentlich schief lief, welche Abzweigung wir verpasst haben, welches Wort, welche Geste zu früh, zu spät, ob das alles jetzt wieder die Fortsetzung der immergleichen Geschichte ist oder bloss Zufall, ob wir der falsche Mensch sind oder der andere oder die Kombination, ob es an diesen modernen, bindungsängstlichen Zeiten liegt oder dann doch am Timing oder am Karma oder an irgendeinem unterbewussten, in der Therapie noch nicht aufgearbeiteten Thema aus der Kindheit.
Diese kurzen Begegnungen, die wir wegwischen, als wäre nichts gewesen, die wir weiterswipen, als wäre das alles bloss ein Spiel in einem sehr modernen, sehr unabhängigen Leben, machen etwas mit uns, sie prägen uns, sie berühren uns, sie verändern uns. Manchmal verschliessen sie uns noch mehr, und die Tatsache, dass wir nicht offen darüber sprechen, oder denken, dass es nicht tief gehen darf, weil es doch bloss kurz war, nicht der Rede wert, hilft nicht. Weil in dieser Traurigkeit über verlorene Hoffnung auch ganz viel Wachstum liegen kann, neue Einsichten darüber, was wir uns wirklich wünschen, wer uns guttut, was wir an uns selbst ablegen dürfen. Der erste Schritt dafür aber ist, sich einzugestehen, dass uns diese Kennenlern-Lieben, die uns wieder verlassen, nachhängen. Sie machen etwas mit unseren Herzen, mit unserem Selbstwert und unserer Angst vor und unserer Liebe für die Hoffung, und das ist in Ordnung. Das ist wahr. Es ist echt.
Das nächste Mal, wenn dir jemand das Herz bricht, den du kaum kanntest, den du aber nah an dich herangelassen hast, weil du nunmal hoffst, und weil du nunmal offen bist und dich verletztlich gezeigt hast, schäme dich nicht. Nimm dir einen Moment Zeit, anzuerkennen, dass du sehr mutig warst. Dass du dich geöffnet hast, obwohl du hättest auf cool machen können. Dass du gehofft hast, obwohl du hättest zynisch sein können. Du hast es ernst gemeint, und es ist leider früher geendet, als du vielleicht wolltest.
Und das war so.
Und es tat weh.
Und du hast dich geöffnet.
Ich sehe dich. Danke für deinen Mut.
Ein wunderbarer Text. Als alter Mann wünschte ich, ich hätte viel früher so etwas Weises gelesen!