Warum hassen wir alle eigentlich Montage?
Und: Warum du den kleinsten möglichen Schritt machen solltest, der überhaupt möglich ist.
Ich hoffe, es ist ein schöner Montag für dich. Ich hoffe das von Herzen, weil wir in unserem Sprachgebrauch oft sagen, oh, oooh, Montag, wie schlimm, wann ist denn endlich wieder Freitag, noch so lange, wie schrecklich, MONTAG. Radiostationen spielen dann upbeat music und spornen uns an, den Montag irgendwie gut zu starten, ihn zu überleben, uns durch ihn hindurch zu schleppen.
Und dann ist Dienstag und dann Mittwoch und dann Donnerstag und dann, endlich, als wäre dieser eine Tag die letzte Klippe vor dem grossen Sprung in den Wochenenden-Spass - FREITAG.
Mich hat dieses Narrativ vom belastenden, schweren, müden Montag immer irritiert. Weil ich dachte: Wie schade, über 70 Prozent deiner Lebenszeit, fünf Tage von sieben, in einem Depressionsnarrativ, einem Gefangenen-Narrativ, aus dem wir uns bloss zwei Tage befreien können, bevor alles wieder von vorne anfängt, dabei sind die Wochenenden doch auch selten erholsam, weil die meisten Menschen Samstags noch einkaufen müssen und irgendwann noch die Wohnung putzen und das Auto und dann noch Steuererklärung ausfüllen und dann noch einen halben Tag auf einen Hausberg, der bei über 15 Grad Celsius sowieso überfüllter ist als jedes Shopping-Center am Black Friday.
Dabei könnten doch Montage etwas sehr Schönes sein, und sie können einen Anfang markieren, der uns gut und produktiv und sinnstiftend durch die Woche trägt.
Das bedingt aber, dass wir den Montag nicht wieder so überladen und erstickt beginnen, wie wir meinen, ihn beginnen zu müssen, weil er dann wirklich, aber wirklich wahnsinnig schwer und dunkel wird und wie Blei an unseren Füssen klebt.
Ich glaube, Montage könnten schön sein, schöner als jetzt, wenn wir aufhören würden, sie zu überfrachten. So, wie unser Leben sich schöner und freier anfühlen könnte, wenn wir aufhören würden, unser Leben an sich zu überfrachten.
Doch das ist leichter gesagt als getan, und mein Text über die grosse Erschöpfung von vor zwei Wochen hat damit viel zu tun. Wir sind müde, weil wir alle so viel auf unseren Tischen und in unseren Köpfen und in unseren Bildschirmen haben, dass da kaum mehr Raum ist oder freie Zeit oder ein bisschen Abstand.
Und dazu, wie wir mehr Ruhe und Abstand und Zeit und Raum schaffen, dazu wird es in diesem Newsletter noch ganz viele Texte geben, weil mich dieses Thema enorm beschäftigt und ich es auch sehr interessant und notwendig finde, weil:
Verbundenheit setzt Raum und Zuwendung voraus, und das wiederum setzt Freiraum und Ressourcen voraus. Wir können das Leben nicht wahrnehmen und uns nicht verbinden, wenn uns die emotionalen und geistigen Ressourcen dafür fehlen.
Eine kleine Denkhilfe, die mir seit ein paar Wochen hilft, einen Montag oder sonst irgendeinen Tag oder einen Moment mit weniger Druck und Leistung aufzuladen, ist die Idee von der Minimal- und von der Maximalvariante.
Es gibt nämlich diese Version von mir, die alles schafft, und dann gibt es die Version von mir, die gar nichts schafft, und dazwischen liegt ein Raum. Ich habe mir vor ein paar Monaten mal überlegt, was meine absolute Minimal-Variante ist an dem, was ich gebacken kriege, wenn ich einen unglaublich schlechten Tag habe, und habe diese Minimal-Variante in mein Leben integriert. Ich habe nun also Wochenziele, vielleicht Tagesziele, ich habe Wünsche und Listen und Ideen und Pläne, und dann habe ich aber immer auch die Frage in meinem Kopf für den Fall der Fälle, wenn ich schlecht geschlafen habe und nichts Sinn macht und es regnet und ich schon schlecht in den Tag gestartet bin:
Was ist das Minimum?
Welches ist nun der kleinste mögliche Schritt, den ich tun kann?
Das nimmt mir selbst viel Druck raus, irgendwas erreicht wird trotzdem, und oft ist diese Haltung einfach eine viel nettere, weil sie öffnet, statt einen wieder gewaltvoll zu knechten. Wir kennen ja dieses Bild vom Spaceshuttle oder Flugzeug, das, wenn es bloss ein Prozent seines Kurses ändert, am Ende, nach ein paar Stunden, an einem ganz anderen Ort ankommt als vorgesehen. Eine kleine Kurskorrektur, das ist die Moral der Geschichte, bewirkt auf längere Zeit gesehen sehr viel.
Und deshalb ist schon das Minimalste an der Minimalvariante in die Richtung, in die du dich entwickeln willst, genug, um, mit der Zeit genug anzuhäufen an Text, an Verbindung, an Vorräten im Kühlschrank, an gelaufenen Minuten.
Frage dich also, wenn mir alles wieder zu viel wird:
Was ist der kleinste, mögliche Schritt, im Moment? Für meine Beziehung, für mein Leben, für meine Gesundheit, für meine Arbeit? Für meine ungelebten Träume, für das Aufräumen des Kellers?
Ist es ein Kuss, bevor ihr zur Tür rausgeht?
Sind es zwei Zeilen Text?
Ist es das Raussuchen des Rezepts für die Salzzitronen, und gekauft werden die Zitronen aber erst am Samstag?
Machs gut, Lieblingsmensch! Viel Glück bei deinem kleinsten Schritt, den du je gemacht hast. Wenn du magst, erzähl mir davon in den Kommentaren oder schreib mir eine Mail.
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