Ich wurde gefragt, ob ich auf Tinder date.
Und obwohl ich die Frage schon oft gehört habe, hat sie mich dieses Mal länger beschäftigt.
Nicht, weil ich Tinder besonders gut oder besonders schlimm finde. Sondern, weil ich merke, wie sehr sich unser Verhältnis zu Nähe verändert hat. Und wie normal es geworden ist, sich digital zu begegnen, sich dabei aber gleichzeitig immer weniger zu berühren.
Ich habe mich oft gefragt, ob es überhaupt noch jemanden gibt, der nicht auf einer Dating-Plattform war. Und ob das überhaupt noch ein Kriterium ist – oder schon längst eine Selbstverständlichkeit. Die digitale Suche nach Nähe ist inzwischen Teil unseres Alltags. Kein Wagnis mehr. Kein Ausnahmezustand. Eher so etwas wie Scrollen mit Hoffnung.
Und doch ist da etwas, das sich nicht an diese neue Normalität gewöhnen will.
Etwas, das jedes Mal still zusammenzuckt, wenn eine Nachricht unbeantwortet bleibt.
Wenn jemand einfach verschwindet.
Wenn auf echtes Interesse – nichts folgt.
Die Entwertung der Begegnung
Ich glaube, das Schwierigste am Online-Dating ist nicht, dass man niemanden findet.
Sondern dass man so viele Möglichkeiten hat – dass niemand mehr besonders wirkt.
Es ist ein System, das von Masse lebt, nicht von Begegnung.
Und je mehr wir darin funktionieren, desto schwerer wird es, sich selbst noch als Mensch zu sehen – statt als Profil.
Jedes Mal, wenn wir jemanden anschreiben, hoffen wir.
Und jedes Mal, wenn wir ignoriert werden, passiert etwas in uns, das wir selten benennen:
Wir werden ein bisschen stumpfer. Oder ein bisschen leerer.
Je nachdem, wie sehr wir davor gehofft haben.
Klar, man kann das alles locker sehen. Es als Spiel betrachten. Oder als Algorithmus, der irgendwann schon jemanden ausspuckt. Aber Liebe ist kein Spiel. Und Algorithmen kennen keine Bindungssicherheit.
Die neue Unsicherheit
Bindung entsteht da, wo jemand bleibt. Wo jemand erreichbar ist. Wo jemand antwortet, nicht nur reagiert. Und diese Grundregel gilt online genauso wie offline. Nur dass wir sie digital öfter vergessen – oder übergehen.
Die Struktur der Apps lädt dazu ein.
Sie sind nicht dafür gemacht, dass man sich entscheidet – sondern dass man weitermacht.
Dass man nochmal zurückgeht. Nochmal schaut. Nochmal swipet.
Und irgendwann merkt man: Das eigene Selbstwertgefühl hängt da mit drin.
Denn jedes Match ist ein kleiner Ausschlag auf der Dopamin-Kurve.
Jede ausbleibende Antwort eine kleine Wunde im Vertrauen.
Diese Folge ist für alle, die online daten, die swipen, hoffen, lieben, leiden und weitermachen.
Du kannst direkt hier in die Folge reinhören oder überall dort, wo du gerne Podcasts hörst: auf Spotify, Youtube oder Apple Podcasts.
Wie willst du lieben?
Ich glaube, man kann auf diesen Plattformen gute Menschen treffen.
Ich kenne Paare, die sich dort gefunden haben.
Manche haben heute ein Kind.
Aber die Art, wie wir uns begegnen, macht etwas mit uns.
Deshalb finde ich es wichtig, dass wir uns selbst ein paar Regeln setzen – nicht moralisch, sondern fürs Herz.
Was ist für dich ein respektvoller Umgang im Digitalen?
Wie schnell willst du dich treffen – bevor dein Kopf zu viel Fantasie produziert?
Welche Art von Verbindung suchst du wirklich – und wie erkennst du sie?
Und vielleicht noch die wichtigste Frage:
Wie kannst du online daten und dir dabei treu bleiben, deine Werte leben, achtsam bleiben?
Ich habe für mich entschieden, dass ich Nähe nicht vollständig outsourcen will.
Dass ich wissen möchte, wie sich jemand im Raum anfühlt.
Dass ich lieber früher als später frage: Wollen wir uns sehen?
Und dass es da draussen nicht nur ein, zwei, drei Menschen gibt, die es satt haben, sich zuerst online durch Profile klicken zu müssen. Sondern auf dich warten. Im echten Leben. Von Anfang an. Also verliere nicht den Mut.
Und du?
Wie datest du? Was hat dir geholfen, dich dabei nicht zu verlieren?
Ich freue mich auf deine Gedanken, hier in den Kommentaren.
Bis bald, Lieblingsmensch!
xoxo, Anna
Ich schreibe und spreche mit viel Herzblut und versuche damit, die Welt und unser Erleben ein bisschen besser zu machen. Unterstütze meine Arbeit mit einem Abo hier auf Substack, teile diesen Post, abonniere meinen Podcast und schreib mir gerne, was dich gerade beschäftigt! Ab und zu beantworte ich eure Fragen (anonym) in einer nächsten Podcast-Folge.
Share this post